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Sein Tod

Nachdem Kamsa besiegt war, waren die Menschen in Mathura nicht mehr sicher. Krishna bat Vishvakarma, den Baumeister der Götter, eine Stadt zu erbauen, die von allen Seiten geschützt ist. Der Ozean gab ein Stück Land frei und Vishvakarma erbaute Dwaraka.

***

Einst lud Krishna Durvasa ein. Der unberechenbare Gast machte ‚aus Versehen‘ etliche Gegenstände kaputt, forderte ständig nach mehr Essen und benahm sich auch sonst nicht gerade gut. Er wollte prüfen, wie Krishna und Rukmini darauf reagierten. Doch beide kamen all seinen Wünschen nach und bedienten ihn wie es jedem ehrenwerten Gast zusteht.

Dann bestellte Durvasa Reispudding. Als Rukmini diesen brachte, meinte Durvasa, er sei satt und sie sollten sich mit dem Pudding den Körper bestreichen. Beide taten wie ihnen geheißen. Krishna allerdings bestrich sich seine Füße nicht.

Ärgerlich sprach Durvasa: ‚Krishna, ich bin gekommen, damit du diesen Pudding als Schutz auf deinen Körper aufträgst. Er ist kein gewöhnlicher Pudding, er ist ein Schutzschild für deinen Körper. Deine Füße sind nun ohne Schutz. Du wirst aufgrund dieser ungeschützten Füße sterben.‘

Krishna verneigte sich und sprach: ‚Durvasa, wie könnte ich deinen Reispudding mit meinen Füßen in Berührung kommen lassen.‘ Durvasa war über diese Antwort sehr erfreut, blieb jedoch auch traurig, da er wusste, was geschehen würde. Nun verlangte Durvasa einen Wagen, Krishna ließ einen Wagen kommen. Dann verlangte Durvasa, Rukmini zu erhalten. Krishna übergab ihm Rukmini, bestieg ebenfalls einen Wagen und fuhr hinter Durvasa her. Durvasa ließ seinen Wagen halten und fragte Krishna warum er hinter ihm herfahre. Krishna erklärte: ‚Ich will dich nur begleiten, für den Fall, dass du etwas benötigst‘. Durvasa erwiderte: ‚Du, Krishna und Rukmini, ihr seid die vollkommenen Haushälter. Ihr habt meinen Segen und meine Ehrerbietung.‘

* * *

Krishna wünschte sich einen Sohn, der Shiva gleich war. Dafür meditierte er auf Shiva und als dieser ihm erschien bat er um einen Sohn mit Zerstörungskraft. Er sah den Niedergang der immer dekadenter werdenden Yadavas vorher und brauchte ein Wesen, das sie vernichtete. Jambavati gebar Samba, einen liebenswerten Jungen, der gern zu fragwürdigen Streichen aufgelegt war.

Einige Weise kamen nach Dwaraka. Die Einwohner wollten sie veralbern, verkleideten Samba als schwangere Frau und fragten die Weisen, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen im Leib trage.
Einer der Weisen ergriff das Wort: ‚Dieses Wesen wird eine Keule gebären und diese wird der Untergang eurer Sippe sein.‘

Alle lachten, nicht erkennend, dass sie eben ihren Untergang heraufbeschworen hatten. Samba bekam am nächsten Tag Bauchschmerzen. Sein Leib wurde aufgeschnitten und man fand eine Keule. Die Menschen trauten sich nicht, Krishna aufzusuchen und ihm zu erklären, was sie getan hatten. Sie gingen zu Balarama, seinem Bruder. Balarama war entsetzt. Doch was geschehen war, war geschehen. Er zerrieb die Keule zu Pulver. Ein kleines Stück jedoch fiel auf den Boden. Balarama warf es ins Meer.
An dem Platz, auf dem die Keule zerrieben wurde, wuchs ein seltsames Gras. Das kleine Stück der Keule wurde von einem Fisch verschluckt. Sechsunddreißig Jahre später zeigten sich schlechte Omen.

In einer Nacht lieferten sie sich eine Rauferei. Es war der Platz, an dem die Keule pulverisieret wurde. Sie fielen auf das Gras und rissen es heraus, das Gras wurde zu Keulen. Mit diesen Keulen schlugen sie nun aufeinander ein und brachten sich gegenseitig um. Keiner blieb an Leben. Außer Krishna und Balarama.

* * *

Dwaraka war zerstört, die Yadavas waren tot. Balarama ging an die Ufer des Ozeans und vertiefte sich in Meditation. Ihm war bewusst, seine Zeit war gekommen, er verließ seinen Körper und ging wieder ein in Shesha, die tausendköpfige Schlange, deren Verkörperung er war.

Krishna stand vor den Trümmern der Stadt, allein, keine Freunde waren mehr da, niemand mit dem er hätte sprechen können. Als er an einem Busch vorbei kam legte er sich nieder, lächelte, er wusste, bald würde Jara kommen, es war die Zeit, um eine alte Rechnung zu begleichen.

Ein Affe war von einem Prinzen getötet worden. Der Prinz war dunkel, ein bisschen blau. Der Prinz hatte sich hinter einem Baum versteckt und traf den Affen mit seinem Pfeil. Der Affe kämpfte nicht mit dem Prinzen, er kämpfte mit irgendjemandem anderen, mit einem anderen Affen.

Jara war für einen Augenblick orientierungslos, wo war er? Langsam kam alles zurück, der Traum war so lebendig, so klar, als wäre er wahr gewesen. Jara verstand nicht was der Traum bedeutete, doch er träumte ihn öfter.

Jara stand auf, er war hungrig, er musste zum Jagen gehen. Schnell war er gerüstet, nahm Pfeil und Bogen. Seine Augen fielen auf seinen Lieblingspfeil. Er lächelte, noch nie hatte dieser Pfeil sein Ziel verfehlt. Es war ein ganz besonderer Pfeil. Jara hatte den Pfeil nicht selbst hergestellt, er hatte ihn gefunden. Vor einiger Zeit schnitt er einen Fisch auf und fand darin ein Metallstück. Er sah, es war geeignet für eine Pfeilspitze. Bis heute hatte der Pfeil ihn nicht im Stich gelassen. Jara strich durch den Wald, Pfeil und Bogen bereit, stundenlang war er unterwegs, doch hatte er noch nichts zu essen. Er ging weiter.

Da! Hinter dem Busch … da hatte sich etwas bewegt. Er wartete noch ein wenig, Jara wusste, hinter solch einem niederen Busch konnte sich nur ein Tier verstecken. Er musste es treffen oder hungrig nach Hause gehen. Er nahm seinen Lieblingspfeil, spannte den Bogen, zielte und schoss. Da hörte er einen Menschen schreien. Er rannte zu der Stelle hin, woher der Schrei kam. Er hatte einen Mann getroffen, der sich vor Schmerz krümmte. Jara sah ihm an, dass er von königlicher Geburt war, ein König, seine Farbe dunkel, ja, blau.

Für einen Moment erinnerte er sich an seinen Traum. Der Mann vor ihm hatte dieselbe Farbe wie der Mann in seinem Traum. Jara war von Sinnen, sein Herz raste, plötzlich erkannte er, wen er getötet hatte. Er weinte, fiel zu Boden und hob den toten Körper des Herrn auf: ‚Mein Herr, mein Herr, Krishna! Was habe ich getan? Das kann ich mir nie verzeihen.‘

Krishna schaute in das tränenüberströmte Gesicht Jaras und sprach traurig: ‚Es gibt nichts zu verzeihen, mein Freund, nun sind wir quitt. Wir alle sind an unser Karma gebunden, so will es das Gesetz des Universums.

‚Karma? Welches Karma?‘ Jara schaute verwundert, der Herr musste im Delirium sprechen. Doch Krishna erklärte ihm in aller Ruhe: ‚Erinnere dich, wer du bist, Mein Freund. Keiner von uns hat stets denselben Körper. Wir beide sind unter vielen Namen unterwegs gewesen, so haben wir uns einst schon mal getroffen…‘

Jara schüttelte den Kopf: ‚Nein, nein, das ist unmöglich!‘ Doch dann … Krishna … der dunkle Prinz, der Affe, alle die Gestalten erschienen wieder in Jaras Kopf.

‚Rama!‘ sprach Jara leise.

Krishna nickte: Ja, mein Freund. Du warst Vali, der Affenkönig. Als Rama tötete ich dich beim Kampf mit Sugriva. Ich habe dich aus dem Hinterhalt getötet, ich hatte keinen Grund, hatte ich doch keine Feindschaft mit dir. Ich tat was ich damals als richtig empfand, deshalb sind wir nun quitt.‘ Für einen Moment dachte Jara, ein schelmisches Lächeln in Krishnas Antlitz zu erkennen, doch dann sah er es schmerzverzerrt. Krishnas letzte Worte waren: ‚Du wirst Befreiung erlangen für das was du getan hast, lebe in Frieden.‘

Jara erinnerte sich seines früheren Lebens mit einer Klarheit, doch konnte es seinen Schmerz nicht leichter machen. Was ich getan habe war nicht recht. Er schaute auf den sterbenden Herrn. Krishna lächelte müde: ‚Entferne den Pfeil, verlasse diesen Ort und begebe dich in Askese. Wir werden uns unter schöneren Umstanden wieder treffen. Und nun geh‘.‘

Jara zog den Pfeil aus Krishnas Körper, die Wunde blutete stark. Krishna schaute auf die Pfeilspitze und sprach: ‚Nun ist es vorbei.‘

Jara rannte weg, er rannte … rannte … so weit wie nur möglich.

Da vernahm er eine Stimme in sich: ‚Wir sind alle an unser Karma gebunden, seien wir Gott oder Mensch. Ich habe dich getötet, nun hat sich der Kreis geschlossen, da du der Grund bist, dass ich die Welt verlassen muss. Gräme dich nicht. Du hast nur deine Rolle gespielt.‘

Jara wusste, dass Krishna zu ihm sprach. Er fühlte sich ein wenig erleichtert. Er wird den dunklen Herrn an einem anderen Ort, in einer anderen Existenz wieder treffen. Daran hatte Jara keinen Zweifel. Mit diesen Gedanken begann er seine Askese.

 

Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von S. A. Krishnan.