Rukmini
Bhishmaka, der König von Vidarbha, war stolz. Seine fünf Söhne waren stark und stets in der Lage das Reich zu verteidigen. Rukma, sein Erstgeborener, war sein Liebling, doch machte ihm Sorge mit wem er sich umgab … Shishupala, Dantavakra, Jarasandha, Salva, Viduratha … das waren keine Vorbilder für ihn.
Bhishmaka hatte sich immer vor einem Gespräch gedrückt, doch er wurde älter, die Gesundheit spielte nicht mehr mit, es wurde Zeit, die Staatsgeschäfte nach und nach zu übergeben. Und weiterhin galt es noch, für seine hübsche Tochter, Rukmini, einen Ehemann zu finden. Sie war sein Augapfel, sein Juwel und er musste sie glücklich verheiratet wissen. Ein Diener unterbrach die Gedanken des Königs: ‘Narada ist soeben erschienen.’
Narada, ein gern gesehener Gast, reist in den Welten umher und ist über alle Neuigkeiten bestens informiert.
‘Erzähle uns über Krishna,’ bat Rukmini. Narada erzählte also von Krishna. Rukmini wollte immer mehr hören, sie konnte nicht genug bekommen. Während sie zuhörte, stelle sie sich ihn vor. Bhishmaka beobachtete seine Tochter, die Liebe war nicht zu übersehen, Krishna wäre der ideale Ehemann für sie. Narada war klar, nun musste er die andere Hälfte aufsuchen, so führte ihn sein Weg direkt nach Dwaraka.
Bhishmaka meinte, als er gegangen war: ‘Rukmini, ich glaube du hast dir eben einen Ehemann ausgesucht.’
Rukmini nickte scheu.
‘Und, wer ist es?’
‘Krishna.’
Bhishmaka tat überrascht: ‘Krishna? Den König von Dwaraka? Du hast ihn doch noch nie gesehen.’
‘Ja, das stimmt, Vater, ich habe ihn noch nie gesehen, aber ich kenne ihn. Und ich liebe ihn.’
‘Er ist der Richtige für dich. Er wird dich glücklich machen.’
Bhishmaka suchte Rukma auf: ‘Ich möchte mir dir sprechen, mein Sohn.’
Rukma brachte seinem Vater etwas Wasser und Bhishmaka nahm einem tiefen Atemzug.
Rukma schaute seinen Vater an, er konnte sich denken was er mit ihm besprechen wollte … dasselbe was er schon lange mit ihm besprechen will … doch er wartete geduldig bis sein Vater das Wort ergriff.
‘Es geht um Rukmini … sie ist kein Kind mehr …’
Rukma nickte vehement: ‘Genau darüber wollte ich auch schon mit dir sprechen, Vater.’
Bhishmaka war erleichtert: ‘Das ist gut, dann bist du sicher mit mir einer Meinung, dass Krishna der beste Ehemann für sie ist.’
Rukmas Gesichtsausdruck wandelte sich: ‘Du meinst diesen Kuhhirten, der nun meint, der König von Dwaraka zu sein? Das kann nicht dein Ernst sein! Das lasse ich nicht zu!’
Für Rukma war es vollkommen unmöglich, seine Schwester mit einem Mann verheiratet zu wissen, der nicht von königlichem Geblüt war.
Bhishmaka versuchte einzulenken: ‘Wen hältst du denn für geeignet?’
‘Shishupala natürlich, den König von Chedi, den Sohn Damaghoshas. Er ist der Richtige.’
Bhishmaka merkte, dass mit seinem Sohn, zumindest im Moment, darüber nicht weiter zu diskutieren war. Für ihn jedenfalls kam der überhebliche Shishupala nicht in Frage. Nebenbei liebte Rukmini nicht ihn, sondern Krishna.
Rukma beeilte sich nun, die Hochzeit Rukminis mit Shishupala vorzubereiten.
Als Rukmini ihren Vater wieder traf, merkte sie sofort, dass etwas vorgefallen war. Sie fragte ihn danach und er erzählte ihr alles. Rukmini war außer sich. Sie kannte Shishupala, lieber würde sie sterben, als ihn zu heiraten. Wie konnte ihr Bruder ihr so etwas antun wollen? Hilflos schaute Bhishmaka auf seine verzweifelte Tochter.
‚Ich werde den Mann heiraten, den ich liebe!‘
Bhishmaka kannte seine Tochter … er war erleichtert.
Rukmini ließ einen Priester kommen, den sie schon seit Kindesbeinen kannte und dem sie vertraute.
‚Bitte bringe eine Nachricht nach Dwaraka, zu Krishna.‘
Als der Priester zögerte, erklärte sie ihm alles, und mit einem Lächeln auf den Lippen machte er sich auf den Weg.
Krishna empfing ihn mit Freude: ‚Du kommst aus Vidarbha. Was führt dich von so weit zu mir?‘
‚König Bhishmaka schickt mich. Er hat fünf Söhne und eine Tochter. Rukma ist der älteste Sohn und Rukmini ist seine über alles geliebte Tochter. Nun möchte er sie mit dir verheiraten.‘
Krishna war überrascht: ‚Mit mir? Warum erscheint der Brautvater nicht selbst?‘
‚König Bhishmaka ist alt und die Macht liegt schon so gut wie in den Händen Rukmas. Rukma nun will, dass Rukmini Shishupala, den König von Chedi, heiratet.‘
Krishna erschrak: ‚Was sagt denn Rukmini dazu?‘
‚Sie ist in dich verliebt, sie hat so viel von dir gehört. Ich habe eine Nachricht von ihr dabei.‘
Krishna lächelte, als er die Nachricht entgegennahm.
Mein lieber Krishna,
ich habe so viel über Dich gehört, dass ich glaube, Dich zu kennen. Und alles was ich hörte führte dazu, dass ich mich in Dich verliebte. Ich bin die Tochter des Königs von Vidarbha, eine Prinzessin von Geburt und damit eine geeignete Ehefrau für Dich. Mein Bruder möchte mich mit Shishupala verheiraten, doch ich gehöre zu Dir. Shishupala ist ein Ekel, er weiß überhaupt nicht, was Liebe ist. Wenn ich ihn heiraten muss, bist Du für meinen Tod verantwortlich. Ich habe Vorkehrungen getroffen, dass Du mich entführen kannst. Bei uns ist es Brauch, am Tag der Hochzeit den Segen der Göttin einzuholen. Der Tempel ist weit weg vom Palast. Auf dem Weg zum Tempel kannst Du mich rauben. Ich verlasse mich auf Dich. Die Nachricht hat dir ein Priester überbracht, den ich seit meiner Kindheit kenne.
In Liebe – Rukmini
‚Nun, was ist deine Antwort?‘
Krishna lächelte: ‚Narada sucht mich immer wieder auf und erzählt mir von Rukmini. Ich warte schon so lange, dass ihr Vater mich zum Fest der Gattenwahl einlädt. Bis ich vor kurzem hörte, dass sie Shishupala heiraten soll. Und nun kommst du. Wir müssen uns beeilen. Rukmini wartet. Rukmini wartet auf mich!‘
Krishna rief Daruka, seinen Wagenlenker, und ließ für diese besondere Reise seine Lieblingspferde anspannen. Schon am nächsten Tag trafen sie in Vidarbha ein.
***
Balarama suchte seinen Bruder. Als er ihn im ganzen Palast nicht finden konnte, fragte er eine Wache und erfuhr, dass er sich auf dem Weg nach Vidarbha befände.
‚Was will er so plötzlich in Vidarbha?‘ Balarama ahnte etwas. ‚War gestern jemand zu Besuch gekommen?‘
‚Ja, ein Priester aus Vidarbha suchte Krishna auf.‘
Balarama machte auf dem Absatz kehrt und befahl seinem General: ‚Rufe die Armee zusammen, wir marschieren nach Vidarbha.‘
‚Nach Vidarbha? Warum?‘
‚Krishna braucht Hilfe,‘ rief Balarama während er in die Waffenkammer eilte, um seine Waffen zu holen und in sich hineinlachte … Krishna holt sich Rukmini …
Herrlich geschmückt war die Hauptstadt, Kundinapura, die Menschen waren in Feierlaune.
Shishupala, Jarasandha, Salva, alle waren mit ihren Armeen erschienen. Rukma hatte ihnen von der Reaktion seines Vaters in Bezug auf Rukminis Heirat erzählt. Alle fürchteten, dass Krishna erscheinen und Rukmini entführen würde. Keiner war damit einverstanden, dass ein Kuhhirte die Prinzessin ehelichen würde. Krishna musste, koste es was es wolle, aufgehalten werden.
***
Rukmini verbrachte den Vormittag in Aufregung … hatte Krishna ihre Nachricht erhalten? Würde er kommen? Liebte er sie überhaupt? Was würde geschehen? Endlich war die Stunde gekommen … sie machte sich auf den langen Weg zum Tempel. Ihr Herz wurde schwer. Ihr Plan erfüllte sich nicht. Entweder hat Krishna die Nachricht nicht erhalten oder er macht sich nichts aus ihr. Doch da sah sie den Priester auf sich zukommen, er zwinkerte mit dem Auge und ging dann neben ihr. Leise flüsterte er: ‚Krishna ist hier.‘
Krishna ist hier … mehr hörte sie nicht. Sie bedankte sich bei dem Priester und eilte zum Tempel, um der Göttin zu danken.
Langsam kam sie heraus. Die versammelten Könige und Prinzen eskortieren sie, keiner konnte den Blick von ihr abwenden. Rukmini jedoch spürte ihn in ihrer Nähe, wo war er nur … plötzlich stand sie vor dem charmantesten Mann des Universums … Krishna. Die Zeit blieb stehen. Krishna führte sie zu seinem Wagen. Sie bestiegen ihn und fuhren ab. Die Versammelten konnten nicht glauben was hier geschah. Als sie die Schockstarre überwunden hatten, bestiegen sie ihre Wagen und rasten, Pfeile schießend, hinterher. Als sie die Grenzen des Königreiches erreicht hatten stand Balarama mit der gesamten Yadava Armee vor ihnen.
So leicht wollte Shishupala nicht aufgeben. Rukmini war seine Braut, nicht die des Kuhhirten. Mit Salva und Dantavakra kämpfte er mutig gegen Balarama, doch hatten sie gegen die Yadava Armee keine Chance. Sie fuhren zurück nach Vidarbha, wo Rukma wartete und mit Entsetzen feststellen musste, dass die halbe Armee fehlte.
‚Was ist geschehen!‘
‚Wir fuhren der gesamten Yadava Armee in die Arme.‘ Mehr brachte er nicht heraus.
Rukma war von Sinnen: ‚Sie ist meine Schwester. Ich werde sie zurückholen und nicht ohne sie zurückkommen!‘
Rukma nahm nicht wahr, dass, außer ihm, alle mit dem was geschehen war zufrieden waren. Alle mochten Krishna und freuten sich für Rukmini, ihn zum Ehemann bekommen zu haben.
Bhishmaka feierte im Geheimen mit seiner Königin. Nur der Schwur Rukmas machte ihm Sorge. Er eilte nach draußen und versuchte ihn zu beruhigen: ‚Rukmini liebt Krishna. Sie hat ihn gebeten, sie zu entführen. Finde dich damit ab. Gönne ihr Krishna.‘
‚Abfinden? Sie ist meine Schwester und ich habe einen passenden Ehemann für sie ausgesucht. Nun nimmt sie einen Kuhhirten, und ich soll mich damit abfinden?‘
Rukma war nicht zu beruhigen. Er stapfte davon. Bhishmaka rief ihm nach … er dreht sich nicht einmal um. Er bestieg seinen Wagen und zog mit seiner Armee davon. Bald holte er die siegreich heimkehrende Yadava Armee ein. Er suchte nur nach einem Wagen, den, in dem seine Schwester mit diesem Kuhhirten saß. Als er ihn ausgemacht hatte fuhr er darauf zu.
Krishna schaute sich um und sah Rukma mit gezogenem Schwert. Rukmini erschrak: ‚Krishna, er ist mein Bruder.‘
Krishna bat Daruka, Rukma abzuhängen und einen anderen Weg einzuschlagen, so dass er sie nicht finden konnte. Balarama sah Rukma und Krishna davonrasen. Rukma hatte zwar nur eine kleine Armee, dennoch hielt er es für angebracht ihnen zu folgen. Er kochte, Krishna verweigerte den Kampf. Und die Leute sagten, er sei ein mutiger Krieger. Er war nun ganz sicher, dass seine Schwester sich den Falschen ausgesucht hatte. Rukma trieb seine Pferde an, um den Feigling einzuholen. Es gelang ihm und sein Schwert verfehlte Krishna und Rukmini nur knapp. Krishna entschied, Bruder hin oder her, die Situation im Kampf zu entscheiden. Er ließ Daruka den Wagen anhalten.
‚Kuhhirte, habe den Mut und kämpfe mit mir!‘
Krishna und Rukma stiegen von ihren Wagen. Rukmini betete, die Angelegenheit möge ohne Blutvergießen beendet werden.
Rukma war ein hervorragender Krieger, doch er war voll Zorn. Um zu kämpfen bedarf es jedoch eines klaren Geistes. Viele Kämpfe waren verloren bevor sie begannen, weil die Krieger aufgrund ihrer Emotionen nicht bei der Sache waren. Rukma war überrascht, dass Krishna alle seine Angriffe parierte und das mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Er musste erkennen, dass Krishna mehr als nur ein Krieger war. Krishna spielte mit ihm. Irgendwann lag er am Boden, Krishnas Schwert auf sich gerichtet. Rukmini schrie: ‚Nein Krishna, bitte nicht!‘
Krishnas zorniges Antlitz entspannte sich. Rukma erkannte, dass Krishna aus Liebe zu Rukmini nicht mit ihm kämpfen wollte. Wenn er überlebte, hatte er das nur seiner Schwester zu verdanken. Rukmini stand nun an der Seite Krishnas und Rukma erkannte, dass sie zusammengehörten. Seine Schwester hatte sich entschieden.
Krishna sprach: ‚Bedanke dich bei deiner Schwester, dass ich dich am Leben lasse.‘ Mit diesen Worten schlug er Rukma die Haare ab, die größte Schmach, die einem Krieger widerfahren konnte.
Dann schaute er zu Rukmini die verängstigt und erleichtert zugleich dreinschaute. Krishna führte sie zum Wagen, schaute sich nicht einmal nach dem besiegten Prinzen um. Er war für ihn nicht mehr wichtig. Balarama, Krishna und Rukmini fuhren nach Dwaraka.
Rukma, der geschworen hatte, nicht ohne seine Schwester nach Vidarbha zurückzukehren hielt Wort. Er wurde König in einem anderen Land. Rukminis und Krishnas Sohn war Pradhyumna.
Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von S. A. Krishnan