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Kabir

Kabir wurde 1398 oder 1440 in Kashi, dem heutigen Varanasi, in eine arme muslimische Weberfamilie geboren. Er verstarb 1448 oder 1518. Kabir war einer der berühmten Poeten, Mystiker und Philosophen Indiens.

Obwohl Moslem, zog es ihn zu Rama hin und sein größter Wunsch war es, bei Ramananda, dem großen Weisen und Guru, eingeweiht zu werden. Täglich setzte er sich vor seinen Ashram. Jeden der herauskam sprach er an: ‚Ich möchte in den Namen Ramas eingeweiht werden. Bitte richte das dem Guru aus.‘ Doch ein jeder riet ihm, bei seiner Religion zu bleiben und ging weiter. Kabir ließ sich nicht beirren, weiterhin kam er täglich zum Ashram und setzte sich vor das Tor. Monatelang wartete er darauf, doch irgendwann zu Ramananda eingelassen zu werden. Eines Tages hörte Ramananda die beiden Statuen auf dem Altar, Rama und Lakshmana, sich unterhalten:

‚Lakshmana, lass uns diesen Ashram verlassen.‘

‚Warum, mein Bruder?‘

‚Täglich kommt ein junger Mann vor das Tor und wartet sehnsüchtig darauf, eingeweiht zu werden. Keiner lässt ihn ein, keiner nimmt von ihm Notiz. Was wollen wir an einem Ort, an dem unsere treusten Anhänger abgewiesen werden?‘

Ramananda war entsetzt: ‚Oh Herr, ich wusste nichts davon. Natürlich werde ich diesen Jungen einweihen. Bleibt bitte hier, verlasst meinen Ashram nicht!‘

Ramananda rief seine Schüler zu sich … beschämt gaben sie zu, täglich den wartenden Moslem abgewiesen zu haben.

Ramananda konnte in dieser Nacht nicht schlafen, Kabir auch nicht, seine Hoffnung schwand, was sollte er nur tun. Traurig ging er zur Ganga, setzte sich auf eine der Badetreppen (Ghat), die zum Fluss hinunter führten und weinte.

Am nächsten Morgen ging Ramananda, wie stets, mit Wassergefäß und Gebetskette in Händen zum Hanuman Ghat, um sein Morgenbad zu nehmen. Und da stieß er mit seinen Sandalen an den Kopf des wartenden Kabirs.

Ramananda erschrak: ‚Rama, Rama, Rama‘ entfuhr es ihm.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen … doch für Kabir war Ramananda die Sonne, und wie freute er sich, von seinen Lippen den Namen Ramas gehört zu haben, nun war er eingeweiht, die Füße des Gurus hatten ihn berührt und all das geschah an der heiligen Ganga.

‚Meister, nichts wünschte ich mir inständiger, als von dir in den Namen Ramas eingeweiht zu werden. Nun ist es geschehen. Ich bin gesegnet!‘

Kabir tanzte vor Freude und Ramananda war tief bewegt von seiner Hingabe.

Von dem Tag an hatte Kabir den Namen Ramas ohne Unterlass auf den Lippen.

Auf dem Sterbebett liegend sprang Kabir plötzlich auf und rief: ‚Ich muss Varanasi verlassen!‘

‚Warum? Du bist krank, die Ärzte sagen, dass du nur noch wenige Stunden zu leben hast.‘

‚Und diese wenigen Stunden müssen genutzt werden!‘

‚Aber doch nicht, um Varanasi zu verlassen! Die Menschen kommen nach Varanasi um zu sterben, weil Varanasi der heiligste Ort Shivas ist. Der Tod in Varanasi bedeutet Läuterung, man geht direkt in das Reich Shivas ein.‘

‚Ich gehe nach Magahar.‘

‚Nach Magahar? – wer in Magahar stirbt wird als Esel wiedergeboren. Bist du von Sinnen?‘

‚In Varanasi zu sterben ist witzlos. Wenn ich in Magahar sterbe ist das etwas Besonderes. Wenn ich als Esel wiedergeboren werde und dann in Shivas Reich erscheine, dann bin ich authentisch ich. Ich glaub an mich, nicht an Orte.‘

Kabir machte sich auf nach Magahar.

 

Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von Sushma Gupta.