Gayan
Krishna ist ein Avatar von Narayana (Vishnu). Ein ewiger Gefährte Narayanas ist Nara. Arjuna ist der Avatar von Nara. Zusammen sind sie Narnarayana – Gott und Mensch. Krishna und Arjuna wurden am selben Tag geboren. Sie waren mehr als nur Freude, sie waren eng verbunden. Dennoch Kämpfte einst Krishna einen Kampf gegen Arjuna.
Der Gandharve Gayan raste mit hoher Geschwindigkeit durch den Himmel. Sein Ziel war Dwaraka, das Königreich Krishnas.
Es war ein wunderschöner Morgen in Dwaraka. Krishna hatte soeben sein Morgenbad beendet und war auf dem Weg zurück in seinen Palast. In dem Moment schoss Gayan daher. Krishna musste sich ducken, damit er nicht von den Hufen der Pferde verletzt wurde. Gayan jedoch war derart im Geschwindigkeitsrausch, dass er gar nicht bemerkte, was geschehen war.
Erst als Krishna ihm hinterherrief erkannte er, dass etwas geschehen sein musste. Er drehte sich um und sah den zornigen Krishna. Er hatte nicht den Mut umzudrehen und sich zu entschuldigen … er hoffte, Krishna habe ihn nicht erkannt. Doch Krishna hatte ihn sehr wohl erkannt und schimpfte ihm hinterher: ‚Ich werde dich töten!‘
Gayan hörte die Worte Krishnas. Der Schweiß brach ihm aus. Krishna war verärgert und hatte vor, ihn zu töten. Wo konnte er sich vor jemandem wie Krishna verstecken … nur die Götter konnten ihm helfen.
Gayan eilte nach Amaravati. Indra war in den Gärten und sah den aufgeregten Gandharven ankommen: ‚Indra! Indra! Du musst mir helfen.‘ ‚Was ist geschehen Gayan, du siehst aus als wären Dämonen hinter dir her.‘
Gayan erzählte Indra was geschehen war. Indras Augen wurden größer und größer als er hörte, dass Gayan Krishnas Zorn auf sich gezogen hatte.
‚Du hast dich mit Krishna angelegt?‘ Gayan nickte. ‚Bist du von Sinnen? Keiner kann dir nun mehr helfen.‘ Gayan schaute Indra mit ängstlichen Augen an. Wenn der König der Götter sagte, er könne nicht gegen Krishna kämpfen … dann war er verloren. Indras einziger Rat war: ‚Geh zu Krishna und entschuldige dich, ich bin sicher, er wird dir vergeben.‘
‚Krishna war zornig … Er will mich töten … ich gehe nicht hin.‘ Gayan schüttelte den Kopf, als er sich wieder auf den Weg zu seinem Wagen machte. Indra versuchte es noch einmal: ‚Gayan, sei vernünftig! Gehe zu Krishna, Er wird dir vergeben, glaube mir.‘
Gayan schrie in seiner Verzweiflung Indra an: ‚Wenn du dich vor Krishna fürchtest, dann werde ich jemanden anderes finden, der gegen ihn kämpft.‘
Gayan bestieg seinen Wagen und weg war er. Wen konnte er nun noch um Schutz bitten? Gayan fuhr über den Berg Kailash … Shiva … Shiva hat keine Angst vor Krishna. Er betrat Shivas Reich und fiel ihm zu Füßen: ‚Du bist der einzige der mich retten kann.‘
Shiva, der wusste was geschehen war, schüttelte Seinen Kopf: ‚Nein Gayan, ich kann dir nicht helfen.‘
Gayan war entsetzt: ‚Bitte sag das nicht … ich bin gekommen, weil ich an dich glaube … wenn du mir nicht hilfst, an wen soll ich mich wenden … bitte!‘
‚Geh zu Krishna! Er wird dir vergeben. Das ist deine einzige Möglichkeit.‘
Gayan erkannte, dass mit Shiva nicht weiter zu reden war. Er ging wieder zu seinem Wagen und fuhr ziellos umher. Da sah er eine Gestalt durch die Wolken wandeln.
‚Narayana, Narayana‘ hörte er. Gayan erkannte Narada, den stets zu Späßen aufgelegten Weisen, der, Narayana preisend, durch die Welten reist. Gayan verneigte sich vor Narada.
‚Was ist mit dir Gayan? Du scheinst in Not zu sein … du kannst mir alles erzählen.‘ Und wieder erzählte Gayan seine Geschichte. Narada schüttelte den Kopf und gab einen mitfühlenden Laut von sich. Als Narada etwas sagen wollte hob Gayan die Hände: ‚Ich kann nicht zu Krishna gehen, auch wenn das jeder rät. Krishna wird mir nicht vergeben.‘
Narada beruhigte ihn: ‚Das wollte ich dir nicht vorschlagen, ich habe eine bessere Idee. Gehe zu Arjuna.‘
Gayan stammelte: ‚Arjuna? Arjuna und Krishna sind die besten Freunde. Warum sollte Arjuna mich vor Krishna schützen?‘
‚Arjuna ist ein Prinz, ein Krieger. Er wird es als seine Aufgabe sehen, den zu schützen, der ihn um Schutz bittet.‘
Gayan zweifelte: ‚Doch wenn ich ihm sage, dass es sich um Krishna handelt, glaubst du, er wird mich trotzdem beschützen?‘
Narada lachte: ‚Nein, das wird er nicht … aber wenn er jemandem versprochen hat, ihn zu schützen, dann zwingt ihn seine Ehre als Krieger, dieses Versprechen einzuhalten. Erzähle ihm erst nachdem er dir Schutz versprochen hat, dass es sich um Krishna handelt.‘
Gayan war begeistert, er bedankte sich bei dem Weisen, verneigte sich und bestieg seinen Wagen, um die Pandavas aufzusuchen. Diese ruhten in ihren Gärten, als sie einen Wagen ankommen sahen. Arjuna ging zum Tor und sah einen aufgeregten Gandharven auf sich zurennen. Er verneigte sich vor ihm: ‚Arjuna, großer Arjuna, du bist der einzige, der mir helfen kann.‘
Arjuna schaute voll Mitleid auf den Gandharven, was konnte ihn derart in Furcht versetzt haben?
‚Wer bist du? Was kann ich für dich tun?‘
Ich bin Gayan, ich bin in Not. Ich werde von einem König gejagt, er will mich töten!‘
Arjuna schüttelte den Kopf: ‚Wie kann ein Gandharve vor einem Menschen Angst haben. Wer ist der König?‘
Gayan erschrak: ‚Ich kann dir nicht sagen wer er ist, sonst kämpfst du nicht gegen ihn.‘
In Arjunas Kopf schrillten die Alarmglocken. Doch da kam sein Bruder Yudhishthira, der die Unterhaltung mitbekommen hatte.
Er schaute Arjuna an und sprach: ‚Du bist ein Krieger, deine Pflicht ist es, jeden zu beschützen, der dich darum bittet. Du kannst dir nicht aussuchen, wen du schützt und wen nicht!‘
Arjuna wusste, dass sein Bruder Recht hatte. Er schaute zu dem Gandharven und dann zu Yudhishthira. Zu Gayan sprach er: ‚Gut, ich beschütze dich, vor wem auch immer.‘
Gayan war erleichtert. Er lächelte Arjuna an. Arjuna wollte nun aber wissen, wer der König sei.
Gayan schaute Arjuna in die Augen: ‚Es ist Krishna, der König von Dwaraka … vor ihm bitte ich dich, mich zu beschützen.‘
Arjuna verschlug es die Sprache. Das war ein Witz … ein kosmischer Witz … jemand veralberte ihn. Er schaute Gayan ernst an, in der Hoffnung ihn falsch verstanden zu haben … vielleicht war es ja ein anderer Krishna oder so etwas Ähnliches. Arjuna bat Gayan, sich zu setzen und alles zu erzählen was ihn bedrückte. Gayan erzählte seine Geschichte abermals, diesmal den Pandavas.
Arjuna hatte sich alles angehört: ‚Du benimmst dich rücksichtslos und erwartest nun, dass ich dir helfe? Bist du nicht auf die Idee gekommen, zu Krishna zu gehen und ihn um Verzeihung zu bitten? Falle ihm einfach zu Füßen … er wird dir vergeben. Ich werde mit dir gehen. Er wird dir nichts tun, das verspreche ich dir.‘
Gayan hatte es nun satt. Ärgerlich sprach er zu Arjuna: ‚Ist das das Benehmen eines Kriegers? Ich dachte, Krieger wie du stehen zu ihrem Wort. Du hast mir zugesagt, mich zu beschützen. Nun forderst du mich auf, mein Leben zu riskieren. Du bist ja wirklich ein ganz mutiger Krieger!‘
Bhima geriet in Wut, packte Gayan am Nacken und schüttelte ihn: ‚Du nennst meinen Bruder einen Feigling? Weißt du überhaupt …‘
Die anderen Pandavas befreiten Gayan aus Bhimas Griff. Gayan rang nach Atem. Doch Bhima war noch nicht fertig: ‚Arjuna! Höre mir zu … solch ein Mann ist es nicht wert, beschützt zu werden. Fessle ihn und übergib ihn Krishna.‘
Arjuna war kurz davor, Bhimas Rat zu folgen. Der Gandharve war unverschämt. Er war keiner, für den Arjuna gegen jemanden kämpfen würde, schon gar nicht gegen Krishna. Er schaute zornig auf Gayan, als er eine Stimme hinter sich vernahm.
‚Narayana, Narayana.‘ Arjuna und seine Brüder verneigten sich vor Narada. ‚Was ist denn hier los?‘ fragte er unschuldig.
Nicht wissend, dass der Weise hinter all dem steckte, erzählte ihm Arjuna was geschah. Narada hörte interessiert zu. Als Arjuna geendet hatte fragte er: ‚Was soll ich tun, großer Weiser. Gib mir einen Rat.‘
Narada schaute zu Gayan, dann zu Arjuna: ‚Arjuna, in diesem Fall, es tut mir leid, muss ich dir sagen, dass du keine andere Wahl hast. Du hast ein Versprechen gegeben, daran bist du gebunden. Gayan zu beschützen ist deine Pflicht!‘
Arjuna verneigte sich, er wusste, dass der Weise recht hatte. Er musste gegen Krishna kämpfen, gegen seinen Freund Krishna.
Naradas Ränke war aber noch nicht vollendet. Sein nächstes Ziel war Dwaraka. Als Narada Krishnas Palast betrat, wurde er nicht, wie üblich, freundlich empfangen. Alles war in Furcht vor dem zornvollen Krishna.
Narada wandte sich lächelnd an Krishna: ‚Was ist geschehen … Du siehst so verändert aus…‘
Krishna nahm einen tiefen Atemzug und begann zu erzählen ‚… und nun kann ich diesen Gayan nirgends finden, doch wenn ich ihn erwische …‘
Narada schaute überrascht: ‚Meinst du Gayan? Gayan, den Gandharven?‘
Krishna ahnte etwas: ‚Narada, weißt du zufällig wo er ist?‘
‚Ich weiß nicht nur wo er ist, ich weiß auch wer ihn schützt.‘
Krishna war schockiert: ‚Jemand bot diesem Gandharven Schutz vor mir? Wer ist es? Wer demütigt mich derart?‘
‚Es ist Arjuna. Er bot Gayan seinen Schutz an, ich war selbst dabei.‘
Krishna verschlug es die Sprache … Arjuna … sein Freund Arjuna … schützte diesen Unhold. Was konnte ihn dazu bewogen haben. Krishna schüttelte den Kopf. Narada musste sich irren … jedoch Narada hatte noch nie gelogen … ein Unruhestifter war er … aber kein Lügner.
Krishna konnte nicht gegen Arjuna kämpfen, das stand fest. Arjuna war ein Teil von ihm. Da gab es kein Überlegen. Er suchte seine Schwester, Subhadra, auf. Sie erkannte sofort, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Krishna schüttete ihr sein Herz aus: ‚Gayan, ein Gandharve, hat mich beleidigt. Ich habe beschlossen, dass man ihm nicht vergeben kann. Nun hat ihm ein Prinz vor mir Schutz gewährt.‘ Subhadra schaute erstaunt. Krishna war einer der stärksten Männer, die sie kannte … jemand beschützte einen Gandharven vor ihm …
Sie fragte ganz direkt: ‚Wer tut so etwas?‘
‚Dein Mann, dein Mann Arjuna beschützt Gayan!‘
Subhadra konnte sich das nicht vorstellen. Arjuna gegen Krishna … das war unmöglich. Es machte keinen Sinn. Arjuna kämpfte für Krishna, nicht gegen Krishna. Sie versuchte, Krishna zu beruhigen: ‚Krishna, das muss ein Missverständnis sein. Ich werde zu Arjuna gehen und alles klarstellen.‘
Krishna schaute sie liebevoll an: ‚Ja, bitte geh zu Arjuna, sprich mit ihm.‘
Subhadra verlor keine Zeit, sofort machte sie sich auf zu den Pandavas und ging zielstrebig zu Arjuna: ‚Arjuna, was ist los, Krishna erzählte mir, dass du jemanden schützt, der ihn beleidigt hat. Krishna ist dein Freund. Du hast mir immer von eurer engen Freundschaft erzählt. Warum tust du nun so etwas?‘
Arjuna schaute traurig: ‚Glaubst du im Ernst, ich werde gegen Krishna kämpfen?‘ Er erzählte ihr alles.
Subhadra erkannte, dass ihr Mann ausgetrickst wurde. Den Tränen nahe sprach sie: ‚Bitte Arjuna, überlege dir das nochmal. Der Gandharve hat dich hereingelegt, du bist nicht an dein Versprechen gebunden, da bin ich mir sicher.‘
Arjuna erzählte ihr von Naradas Worten …
Verzweifelt ging sie zurück nach Dwaraka und klärte Krishna über den Vorfall auf. Doch musste sie ihm auch eingestehen, dass sie keinen Erfolg bei ihrem Mann hatte. Er fühle sich an seine Pflicht gebunden.
Krishna schüttelte den Kopf, zu wissen wie alles kam, machte die Sache nicht leichter.
Er schaute seine Schwester an: ‚Morgen werde ich gegen Arjuna kämpfen.‘ Krishna rief sein Heer zusammen und machte sich auf zu Arjuna. Arjuna war ebenfalls zum Kampf gerüstet. Sie standen sich gegenüber.
‚Arjuna, denke noch einmal darüber nach! Hältst du das alles für nötig?‘
Arjuna lachte gequält: ‚Krishna, treibe keine Späße mit mir. Ich bin nicht hier, weil ich gegen dich kämpfen will, sondern weil ich gegen dich kämpfen muss!‘
Das traurige Gesicht Arjunas sehend, gab Krishna den Befehl zum Kampf.
Krishna schoss Pfeile auf Arjuna, doch keiner konnte ihm etwas anhaben. Er war ein zu guter Krieger. Krishna hatte keine Wahl, er nutzte mächtigere Waffen, doch Arjuna hatte ebensolche Waffen. Was immer Krishna versuchte, Arjuna konterte. Es wurde ein langer Kampf.
Krishna wurde nun zornig. In der Hitze des Gefechtes brachte er Sudarshana Chakra zum Einsatz. Arjuna nahm Pashupata, die Waffe, die er einst von Shiva erhalten hatte. Beide Waffen waren in der Lage die Welt zu vernichten … da erschien Brahma: ‚Krishna! Arjuna! Steckt die Waffen weg. Hört auf mit diesem Kampf! Meine Geduld ist zu Ende!‘
Arjuna und Krishna verneigten sich vor Brahma und steckten sofort ihre Waffen ein.
Brahma erklärte: ‚Ich kann euer Problem lösen.‘
Zu Arjuna gewandt sprach er: ‚Übergib sofort Gayan an Krishna.‘
Arjuna schaute Brahma verunsichert an. ‚Ich werde sicherstellen, dass dein Verspechen gehalten wird, doch gib jetzt Gayan an Krishna!‘
Als Gayan neben Krishna stand, tötete er ihn. Brahma holte Wasser aus seinem Wassergefäß, sprenkelte es über Gayan und Gayan stand auf, als wäre nichts geschehen. Gayan dankte Brahma, schaute Arjuna und Krishna an und verließ eilig den Ort.
Krishna nahm Arjuna in den Arm. Er sah die traurigen Augen Arjunas und sprach sanft: ‚Arjuna, Ich habe diesen Kampf gegen dich geführt, damit du etwas verstehst … manchmal muss man auch gegen die kämpfen, die man liebt.‘ Arjuna schaute verwundert Krishna an, der fortfuhr: ‚Ein Krieg wird kommen, ein großer Krieg, sein Ausgang wird allein von dir abhängen.‘
Krishna hatte diesen Kampf initiiert, um Arjuna auf den Mahabharata Krieg vorzubereiten.
(Mit der Weigerung Arjunas, gegen seine Verwandten zu kämpfen, beginnt das Lehrgespräch der Bhagavad Gita.)
Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von S. A. Krishnan.